Donnerstag, 22. April 2010

105

dein Lachen, dein Arsch, deine Zahnlücke

du wusstest nicht, wo Paris liegt,

ich konnte deine Stadt nicht aussprechen

wir zeigten uns tätowierte Körperflächen

und dann mein Gesicht, dein Gesicht

unsre Nacktheit war nichts als Heimtücke

dein Magenglucksen hab ich geliebt

wir rauchten Viceroy, parfümierte Zigaretten

u. hörten eine Budapester Band

und dann dein Gesicht, mein Gesicht

du sagtest szarvas, Hirsch, öz, Reh

zwei ungarische Worte, wir hätten wetten

sollen, wir tun uns nicht allzu weh

und dann mein Gesicht, dein Gesicht

wir liebten uns für ein paar Musikstücke

ein Zwei-Worte-One-Night-Stand

wie ein Gedicht, ja, wie ein Gedicht


Scheitholz 105 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Samstag, 17. April 2010

104

Zuerst waren es die Narben

der Pockenimpfung

dann waren es die Farben

ihrer nackten Arme.

Ich beging Verrat.

Ich wollte nicht wahrhaben

dass es ihre Blicke waren

die mich gefangen nahmen.

Worte sind Verunglimpfung

dessen, was man nicht tat.


Scheitholz 104 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

103

du wirst es schon lernen,

dass, was sich zu leicht gibt,

nichts taugt, u. dass, was man liebt

u. sich nicht gibt u. dich im Fernen

hält, dich nicht erdrückt.

Auch wenn du dich noch sehr verzehrst,

wirst du davon nicht verrückt,

wenn du dem den Rücken kehrst.

Auch wenn dich niemand mehr erkennt,

liegt zwischen diesem u. jenem

das quasi heilige Extrem,

das man dein Leben nennt.


Scheitholz 103 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

102

Vater war im Krieg.

Schiss auf den Endsieg.

Er hatte schon verloren.

Er hatte in den Ohren

bevor er nach Hause kam

elenden Kinderkram

in Englands Lager

in Englands Lager.

Vater kam nach Hause.

Liebte süße Brause.

Er hatte großen Durst.

Er hatte in der Brust

bevor er seine Frau nahm

elenden Kinderkram

als Ehegatte

als Ehegatte.

Vater lag im Grab.

Schiss drauf, was es gab.

Er hatte nie gewonnen.

Er hatte sich genommen

bevor er verstarb vor Scham

elenden Kinderkram

im Kinderbettchen

im Kinderbettchen.


Scheitholz 102 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Freitag, 16. April 2010

101

Den Städten geht das Streusalz

aus wegen starken Schneefalls.

Die Scheite werden rarer.

Die Kühle kommt unmittelbarer.

Die Dachlawinen gehen auf Gassen ab.

Gehwege bleiben dauerhaft ungeräumt.

Man trägt Wintersachen wie aufgezäumt

u. fällt hin wie von hohen Rossen runter.

Die kalten Knochen brechen oft u. munter.

Die Haut wird blau, gelb, grün, rot, kunterbunter.

Und Scheite werden rarer.

Und Streusalze werden knapp.

Die Stadt lässt Steine sieben.

Ich muss mich jetzt verlieben.


Scheitholz 101 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

100

mich beeindruckt,

wer sich nicht duckt.

Nicht ducken, das heißt:

nicht kommandieren;

nicht auf allen Vieren

Männchen machen, vereist

Wärme simulieren,

die rein gar nichts entfacht.

Nicht ducken, das meint:

Weinen, wenn man weint.

Lachen, wenn man lacht.

Sprechen, wenn man spricht.

Stechen, wenn es sticht.


Scheitholz 100 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Freitag, 9. April 2010

99

gestandene Männer

öde Gesichtszüge

alles ist Lüge

alles ist Verrat

alles ist Intrige

auf Messeformat.

gestandene Männer

zuerst auf Geschäftsausflügen

die Frau betrügen

dann den Jammer kriegen

zum Gradebiegen.

gestandene Männer

gestandene Ansichten

einst stramm gestanden

in Männerbanden

jetzt stramm stehn lassen

vor Klo-Spruch-Tassen.

gestandene Männer

gestandene Pflichten

auf gleichen Nenner

gebracht in Geschäftsberichten

Sandburgen errichten

Sandburgen vernichten

das Kind in der Brust

alles ist Verlust

Leere im Gesicht.

gestandene Männer

langweilige Kleider

viel zu teuer leider

alles ist größer

nichts wird weiter

nichts gescheiter

nichts ist böser

keiner ein Guter

keiner niemals still

alle wie ein Bruder

der Brüder erschlagen will.

gestandene Männer

gestandene Kenner

alles ist Urteil

nichts ist Anteil

alles ist Lüge

alles ist Rüge

alles ist Gericht

alles Ungeduld

im Falle eines Falles

sind andre schuld.

gestandene Männer

gestandene Übersicht

blind für alles.

gestandene Männer

auf einen Nenner gebracht

endlich zu Ende gedacht

Schluss jetzt mit dem Gedicht

ich mag sie einfach nicht.


Scheitholz 99 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

98

Einst erzählte man mir einen alten Witz:

Einer schaut am Morgen in den Spiegel

u. sagt, ich kenne diesen Flegel

nicht, doch wasche ich ihn trotzdem.

Es traf mich der bekannte Blitz

aus’m Himmel, fast war’s unangenehm.

Seit einigen Tagen geht’s mir nämlich ähnlich.

Seh ich im Spiegel mein olles Antlitz,

kenn ich mich nicht. Das ist ziemlich dämlich.

Oder es ist Kunst. Dann ist’s nicht so grämlich.


Scheitholz 98 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

97

Eine Tasse Tee u. eine Stimme.

Sie schlägt leichte Wellen.

Spiegelungen funkeln darin

wie gesuchte Stellen.

Es ist Morgen, die Nacht vorbei.

Ich hatte es fast nicht geglaubt,

dass sie ginge. Sie war zu weit

u. meine Hoffnung zu verstaubt.

Die Stimme singt ein Lied.

Der Tee schmeckt nach Vanille.

Ich sitze in meinem Gebiet.

Dann herrscht wieder die Stille.


Scheitholz 97 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Mittwoch, 31. März 2010

96

Gänsehautbewehrt mit Fazil Says

Black Earth oder kriegspfadtanzend mit

Crystallized von The XX mit den Goodbys

einer Old Holborn den white rabbit

gejagt durch die dunkelroten Barriquegefühle

durch Gläser, Schlücke, Scheite,

weil ich wieder tief im Herzen wühle,

diesem DumDum, diesem Stahlgeläute.

Nur noch einen Schluck aus meinem Glas

GlenGrant. Niemals sage ich, das war’s.

Dein Gesicht ist so präsent, wie das Heute

im Kalender; wie der Riss im Granit;

wie nach einem Aus das Starterkitt.

Wenn auch so fern wie die Küste Chinas.


Scheitholz 96 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

95

Warzenburgen der Kindheit, keine

Apotheke führt das rechte

Eisspray oder alternativen Tinkturen.

Die Haut meines Lebens ist verunstaltet.

Vom Hörensagen weiß ich jedoch,

die Auswüchse verschwinden. Jetzt

wo mir der Erreger bekannt ist

u. das Immunmittel Alter. Zwar

auch ein Krisengebiet, aber eitel

war ich noch je. Ich liebe

gestaltete Haut.


Scheitholz 95 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

94

Schlage dein Holz in Scheite.

Staple das deine, die Stückwerke.

Das Gespaltene gibt die Stärke

u. zieht den Riss in die Breite.

Mit jedem Schlag wird dir klar,

das Vergangene ist die Idylle,

die brennen wird; die einmal war.

Statisch, eng, undenkbar.

Du wechselst damit die Seite

hin zum Ganzen, hin zur Fülle.


Scheitholz 94 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

93

Niemandem gefällt die Wahrheit.

Hört man sie von anderen,

wird sie unwahr. Das Tier

erkennt sich im Spiegel nicht.

Es muss sich erheben u.

selbst herausfinden, wer es

ist. Was es ist. Dass es

Tier ist. Parasit oder

Wirt. Panther oder Kläffer.

Mach Männchen, Mensch.


Scheitholz 93 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Dienstag, 30. März 2010

92

Die Schneeschmelze setzt ein

u. Kälte tropft vom Bergfried

in die Fässer mit siedendem Öl.

Die Angreifer enttarnen sich als

alte Kumpane. Sie sind bass erstaunt

über meine Trutzburgen. Sie

schütteln den Kopf. Sie schätzen

Vorgärten über alles u. fürchten

sich vor Maulwurfshügeln.

Ihre Waffen wirken mikrobisch.

Ich habe Jahre vergebens gearbeitet.


Scheitholz 92 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )



91

ah, Mutti, ich seh schon:

die große Geheimnisvolle.

Nichts für mich. Denn

es verbirgt sich dahinter

entweder Dreck am Stecken

oder gähnende Leere.

Beides Gründe zum Abwinken.

Ich gehe nun. Du verstehst?


Scheitholz 91 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

90

Tage auf allen Vieren,

die schrumpfen und Gischt wächst

in den Körperringen. Alles

schmerzt. Nichts bewegt

sich. Eine Made. Ein

Madenersatz voller

Nerven, die Alarm schlagen

im Larvenhirn. Zu

dumpf für Auswege.

Bis ich wieder auf

die Füße falle u. den

Befehl kriege, run,

baby, run. Ich lächle

u. gehe langsam los.


Scheitholz 90 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

89

Sag mir den Unterschied zwischen

was fühlen u. Sentimentalität:

„Letzteres ist beileibe keine Rarität.

Bei ersterem lass dich nicht erwischen.

Vielmehr zeige allen, wie das Tier

aus deinen Poren schutzlos offen

zu mir kriecht u. mich hoffen

macht, das Tote weiche von mir.

Wahre Gefühle machen kaputt.

Deshalb will man sie verschweigen.

Diese Schätze unter all dem Schutt,

die wie Dreck aussehen, darf keiner zeigen.“

Mutter, warum hast du mich nicht gelehrt,

es ist das alles so verdammt verkehrt?


Scheitholz 89 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Freitag, 26. März 2010

88

Hab mir mein Leben genommen wie ein Dieb.

Lieber hätte ich gehabt ein „ich hab dich lieb“.

Du hast versucht, dir das Leben zu nehmen.

Wer von uns beiden soll sich nun was schämen?



Scheitholz 88 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

87

als er gestorben ist,

war alles so eng.

Die Hände wollten mit

dem Zittern nicht aufhören.

Er hätte trotzdem mein

Vater bleiben können,

hätte er nur gesagt,

es tut mir leid. Vielleicht

noch ein Tschuldigung

u. dann, ich weiß das ist

eine solche Anmaßung wie

die Kunst, noch die Wahrheit.

So aber ist er gestorben.

Einfach so. Einfach so

wie Stromausfall.



Scheitholz 87 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Donnerstag, 25. März 2010

86

Wadenbeißer, winke ich ab, das war ich

auch einmal, kläffen, festbeißen, beleidigen,

nie aufgeben, das letzte Wuff behalten.

Notfalls nennt man es Kieferkrampf.

Leider hat der Kleinbürgerfuror vergessen,

dass es einst der Mond war, den der Wolf

anheulte. Das Zeichen eines ewig Nichterreichbaren.

Arme Wadenbeißer. Die Schönheit des Mondes

geht verloren, weil sie es nicht wagen,

den Blick zu heben. Servile lassen

niemals ab. Herabschauend sehen sie

nur Dreck. Gespiegelt in den Pfützen.

Ich weiß, auch ich habe Götzen

gedient viele Jahre lang, glücklich,

dass jemand da war. Nur wenn man

sich aufrecht stellt u in der Lage ist

zu gehen, zeigt sich, bist du wirklich

Wolf oder etwa Hund. Oder Mensch.

Rückenschmerzen sind das kleinere Übel.


Scheitholz 86 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

85

Wäre ich als Kind nicht fast gestorben,

hätte ich niemals die Lust erworben

an Liebe, Literatur und Reim.

Der Tod pflanzte in mir einen Keim,

der mich anders macht als meine Geschwister,

der mich horchen macht auf das Geflüster

derer, die im Leben ein andres haben.

Zwar mag das aussehen wie Grabbeigaben

so einsam, so kindisch, so bang,

doch sind es Beweise, dass der Tod

in seiner Gier und in seiner Not,

in seinem „Du gehörst mir, mein Kind,

dein Spiel ist aus, in bin der, der stets gewinnt.“

verliert und zwar mein Leben lang.

Einsatz bitte. Neues Glück. Das Spiel beginnt.


Scheitholz 85 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Dienstag, 23. März 2010

84

Sie sagt, Krankheit sei Schicksal.

Sie wäre ein schönes Kainsmal.

Man hätte nichts tun können.

Wer will gegen Gott gewinnen.

Aber Krankheit war das nicht.

Was geschah, hat ein Gesicht.

Hier schau ich ihm in die Augen.

Scheißdrauf, ob die Verse was taugen.


Scheitholz 84 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

83

Kann man eigentlich zweimal die Stimme verlieren?

Andrerseits habe ich Hände u. die werden reden,

falls ich nur mehr krächze. Die zerschlagen die Türen,

weil sie es einst nicht konnten. Vielleicht werden sie beten,

auch wenn das ungewohnte Gebärden der Wahrheit

sind. Doch einmal muss es ja raus, was in der Kindheit

geschah. Gut, ich finde in Worten keine Klarheit.

Meine Bilder sind Übungen in angewandter Blindheit.

Meine Bitten gleichen abergläubischen Beschwörungen.

Meine Rhythmen klingen nach Herzrhythmusstörungen.

Doch meine Hände, glaubt mir, werden linkisch sprechen

Wie Kinderpuppen, die weinen. Wer spricht von Sich Rächen.

Wie Teddybären, die lachen, wenn sie ihr Schweigen brechen.

Der an den Hals gewünschte Tod kennt keine Sagbarkeit.

Das Kuckucksei wird von Mutterliebe nicht erdrückt.

Und der Apfel, der vom Baum fiel, lacht entzückt,

wird der Stamm gefällt, vor allem, wenn der ihn nicht zerdrückt.


Scheitholz 83 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Montag, 22. März 2010

82

Damals im Anblick des Rampenlichtgevierts,

schwarz u. weiß u. sich wiederholende Figuren,

ertrug ich das Schwarze um das Weiße nicht.

Ich musste raus, um auf weiße Wand zu stieren

mit einem kleinen schwarzen Fleck. Die Zukunft

ist besser als das Vergangene. Sie tüncht die Strukturen.


Scheitholz 82 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

81

Was für ein Glück.

Ich seh mich von außen,

kommt die Panik.

Da kann ich mich nicht leiden

oder uns, ganz wie man will.

Das Herz hat nichts als Flausen

im Kopf u. klopft

u. klopft u. ist nicht still.

Es ist der Dritte im Bunde,

der Mittler in unsrer Sache.

Es sagt uns, stopft

mich doch zurück.

Es ist so kalt da draußen,

außerhalb von euch beiden.

Was ich dann auch mache.

Die Panik verliert diese Runde.


Scheitholz 81 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Donnerstag, 18. März 2010

80

ich erinnere mich an alles,

Geschwister, Sonntagsessen,

der Streit wegen eines Balles.

Ich habe nichts vergessen.

Ich sehe den Wald, die Wiesen,

das Haus mit der Traufespur.

Ich spüre unter den Füßen

die Kälte der Balkonfliesen.

Ich höre Omas alte Uhr

die Viertelstunden schlagen.

Ich rieche die verschiedenen Lagen

von Mutters Rauch im Flur.

In manchen Momenten des Schlummers

verwechsle ich Autogeräusche.

Ich denke, Vater kommt gefahren.

Ich merke nicht, dass ich mich täusche.

Ich wache auf wegen eines Kummers

u. bin mir über nichts mehr im Klaren.

Die Oberfläche der Vergangenheit

verschwindet nicht, doch der Kummer

wird dadurch keineswegs stummer.

Das Dahinter macht mich bange heute.

Denn alles war bloß eine Befangenheit,

nur eine schlechte Zirkusnummer,

die mir Sand in die Augen streute.


Scheitholz 80 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )


79

Sie hängt an ihm, er an der Flasche.

Er hängt an ihr, sie am Gejammer.

Er liegt ihr auf der Tasche.

Sie hat die Schlüssel zu jeder Kammer.

Verpasste Momente begründen die Geschichten,

die kein Ende nehmen wollen.

Greifen wir noch so sehr nach dem Vollen,

ist es nur Ödnis, die wir errichten.

Wir hätten beizeiten gehen sollen.

Sie befiehlt. Er zieht sich zurück.

Er erpresst. Sie lacht ihn aus.

Beide hängen an ihrem Unglück.

Keiner verlässt das Haus.

Also meine Kleine, lass mich alleine.

Aber öffne mir zuvor noch einmal deine Beine.


Scheitholz 79 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

78

im Geheimnis nisten sich die Asseln

ein, glaubend, es wäre die geringere Strafe.

Die Käfer taten nichts. Sie tragen nur

die fremde Schuld u. schweigen, wähnend,

sie seien im Paradies. Was sie Behausung

nennen, ist Unrat. Was sie Leben nennen,

ist Gewimmel. Ein Leben lang gefangen.

Lebenslänglich in der Meinung, es sei

nichts geschehen. Nur nie still stehen. Die

Ewigkeit versus einige Augenblicke der Wahrheit.

Was sind dagegen einige mystische Verse?

Mauerspechte der Schweigemauer? Ihr baut

aus ihr eure Häuser. Euer Klagen bleibt Jammern.

Es verurteilt die Nachbarn. Es spricht keinen Gott an.


Scheitholz 78 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

77

das Bein der nervösen Kindsmörderin auf der Bühne

kickt meinen Vater

hier im Theater

aus dem Stück in mir, wie wenn ein Happy End erschiene.


Scheitholz 77 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

76

wer weiß schon, was man mit dem Rauch

einer Zigarette einsaugt, was für Dinge

dich bedrücken, dass du zentnerschwer auf dem Schlauch

stehst, was für eine filigrane Schlinge

um den Hals geknüpft wurde, um nicht auf dem Bauch

wie ein Baby zu liegen. Um ein bisschen zu fliegen.


Scheitholz 76 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Montag, 15. März 2010

75

die die Wahrheit nicht akzeptieren,

die frieren nicht wie der,

der sie akzeptiert.

Der Wurm, der fliegt, hängt am Angelhaken.


Scheitholz 75 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

74

Gefallen von einem welken Baum

des Todes konnte ich nicht wachsen,

wo Erde mich berührte. Mich würgte

u. Wind zerrte mich fort an Stätte,

wo selbst das Würgen nichts

Heimisches, nichts Warmes mehr hatte.

So schlug ich meine Wurzeln in die

Luft u. der Wind wurde zum Freund.

Bald war ich es ihm auch.

Er schenkte mir einen seiner Orte.

Der Wind ist der Atem der Erde u.

ich bin eins seiner Worte.


Scheitholz 74 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

Sonntag, 14. März 2010

73

Die alten Kümmernisse

bekommen tiefe Risse.

Die Qualen der Zweisamkeit

verwandeln sich in Einsamkeit,

die ätzenden Gewissensbisse

in ein paar Seelenküsse.

Es wurde auch Zeit.

Jetzt bin ich bereit.


Scheitholz 73 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )

72

Nach dem Lesen von Rilkes Gedicht

bastelte ich mir einen Panther

aus kümmerlichen Mutfetzen,

den Besiegern meiner Kümmernisse.

Zuwenig Material für Gitterstäbe.

Der Panther lief weder hin noch her.

Er lief immerzu nach vorne, selbst

noch bei jeder viel zu langen Rast.

Alles wuchs in ihm heran, aller Mut,

alle Kümmernisse, alle Liebe, alle Wut.


Scheitholz 72 © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )